Kurzmeldungen

Kurierfahrer mussten im Wald übernachten

Faire Mobilität Thüringen und der DGB unterstützen Beschäftigte

Eisenach. Gestern waren die Kolleg*innen in Eisenach und Umgebung unterwegs, um mehrere polnische Beschäftigte zu besuchen, die seit April 2021 als Kurierfahrer für die Lohof Transport UG tätig waren und bisher keinen Lohn erhielten. Klaudia Schölzel, Mitarbeiterin der Anlauf- und Beratungsstelle Faire Mobilität in Thüringen erklärt: „Sieben polnische Beschäftigte wandten sich am Dienstag dieser Woche an uns und baten um Unterstützung. Sie berichteten, dass ihnen allen für die Arbeit im April kein Lohn gezahlt wurde, weshalb sie das Arbeitsverhältnis fristgemäß gekündigt haben. Darüber hinaus hätte der Arbeitgeber, welcher für GLS tätig ist, sie nicht bei der Sozialversicherung angemeldet.“ Der Arbeitgeber warf die Beschäftigten aus der von ihm zur Verfügung gestellten Wohnung, es folgten immer wieder Versprechungen den Lohn zu zahlen. Klaudia Schölzel hielt seit Dienstag stetig den Kontakt zu den Beschäftigten, klärte sie über die Rechte auf und übersetzte zwischen Beschäftigten und dem Arbeitgeber.

Die Situation entwickelte sich so, dass die Beschäftigten die Transporter behielten, um darin zu übernachten. Ohne Lohn wollten und konnten sie Deutschland schlichtweg nicht verlassen. Also blieb ihnen seit Samstag vorerst nichts Anderes übrig, als am Rande Eisenachs im Transporter zu übernachten. Mehrere Verabredungen, die es mit dem Arbeitgeber gab, um die Löhne oder Teile des Lohns zu zahlen, wurden arbeitgeberseitig nicht wahrgenommen. Die polnische Presse berichtete bereits darüber
(https://bydgoszcz.wyborcza.pl/bydgoszcz/7,48722,27126750,polacy-pracujacy-w-
niemczech-nie-dostali-pieniedzy-zaplacili.html?disableRedirects=true).
Durch das Engagement von Michael Lemm (DGB Region Thürinen) konnten rasch Unterstützungsmöglichkeiten vor Ort organisiert werden: die Eisenacher Tafel wurde kontaktiert und bot den Beschäftigten an, die Sanitäranlagen der Notunterkunft zu nutzen und Essen zu erhalten. Er berichtet: „Nach Gesprächen mit dem Oberbürgermeister konnten die Beschäftigte darüber hinaus auch die Übernachtung in der Notunterkunft in Anspruch nehmen, obwohl sie früher nicht in Eisenach angemeldet waren“.
Vorgestern Abend beschlagnahmte die Polizei in Eisenach schließlich die Transporter. Als die Berichte der polnischen Presse über dem Fall in Deutschland bekannt geworden sind, hat GLS den Arbeitgeber kontaktiert und angeboten, die Beschäftigte in einem Hotel zu unterbringen. Zur Unterstützung machten sich gestern Morgen zwei Kolleginnen der Fairen Mobilität in Thüringen und Michael Lemm aus der DGB Region Thüringen auf den Weg in die Region. Morgens war wieder ein Treffen mit dem Arbeitgeber vereinbart. Leider traf dieser wieder nicht am verabredeten Ort ein. Die Beschäftigten berichteten uns stattdessen von den überlangen Arbeitszeiten im Monat April, die sie mit Arbeitszeitaufzeichnungen belegen können. Klaudia Schölzel berichtet, dass „teilweise innerhalb eines Monats 300 Stunden gearbeitet wurden. Nach den Lieferdiensten im Auftrag von GLS, wurden die Beschäftigten vom Arbeitgeber Lohof noch angewiesen Transporter abzuholen, teils quer durch Deutschland bis kurz vor Stettin. Teils wurde bis zu 19 Stunden pro Tag gearbeitet.“ Michael Lemm kritisiert dieses Ausmaß: „Dies legt eine massive Verletzung der Arbeitszeitgesetze nah. Dort sind Arbeitszeiten von 8 Stunden pro Tag bzw. 48 h pro Woche geregelt. In Ausnahmefällen können auch 10 Stunden am Tag gearbeitet werden, wenn es im Durchschnitt 8 Stunden ergibt. Ebenfalls wurde die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden nicht eingehalten. 300 Stunden ohne Pause gehen weit darüber hinaus. Das ist kriminell.“ Gegen den Sozialversicherungsbetrug ermittelt der Zoll bereits. Bezüglich des Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz wurde das zuständige Thüringer Ministerium informiert.

Dies ist ein Beispiel, wie es ausländische Beschäftigte häufig berichten. Tina Morgenroth, Koordinatorin der Anlauf- und Beratungsstelle Faire Mobilität in Thüringen, fasst zusammen: „Aus unserer Beratungspraxis kennen wir leider zahlreiche Fälle, in denen ausländischen Beschäftigten ihr Lohn nicht oder nicht vollständig ausgezahlt wird. Selten trauen sich die Betroffenen aber, ihre Situation selbst öffentlich zu machen. Hier sind die Zustände aber besonders skandalös, da die Häufung von Gesetzesverstößen und gleichzeitig der hilflosen Situation der Beschäftigten einen besonderen Handlungsdruck erzeugt.“

Die Beschäftigten warten seit Donnerstagmorgen auf ein Gespräch mit dem GLS Vorstand, welches angekündigt wurde. Das fand noch nicht statt, wurde aber auf heute 13 Uhr terminiert. Auf Nachfrage teilte GLS mit, sie wollen sich darum kümmern und dafür sorgen, dass der Arbeitgeber (Lohof Transport UG) das Geld überweist. Unterdessen ist auch das polnische Konsulat involviert und versucht zu unterstützen. Bis dato wurde den Beschäftigten noch kein Lohn gezahlt.

Tina Morgenroth | Faire Mobilität in Thüringen

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