Artern. Am 18. Oktober 1913 wurde die Eiche an der Kreuzung vom Kino gepflanzt. Der stadtbildprägende Baum wurde in Gedenken an die Völkerschlacht bei Leipzig gepflanzt. Die Schlacht ging vom 16.-19. Oktober 1813. Es war der entscheidende Sieg über Napoleon Bonaparte. Im überschwänglichen Nationalstolz der Pflanzzeit wurde auch ein Fest samt Umzug gefeiert. Dank der Familie Puchta von der Arterner Druckerei Möbius, war es uns möglich die Ausgabe der Arterner Zeitung von 1913 auf dieses Ereignis zu durchforsten und tatsächlich schrieb die Arterner Zeitung, die damals als Tageszeitung erschien, darüber. Hier der Originalauszug von Montag, dem 20. Oktober 1913, also heute vor genau 100 Jahren:
"Nach beendetem Gottesdienst wurde unter Vorantritt der Musik und dem Geläut der Glocken nach dem Platze am Anker gezogen und dort Aufstellung zur Feier genommen. Eingeleitet wurde dieselbe mit dem Niederländischen Dankgebet, das von den Schulkindern unter Musikbegleitung gesungen wurde. Als erster betrat Herr Bürgermeister Stuhrmann die Rednerbühne, um in markanten Worten auf die hohe Bedeutung des Tages hinzuweisen. Er sprach etwa folgendes:
Die Stadt pflanz diese Eiche zum Andenken an die große Zeit vor hundert Jahren, welche heute in allen deutschen Landen zum Gegenstande einer würdigen Feier gemacht wird, und zum Gedächtnis und zur Ehre all der tapferen Helden, welche todesmutig Ringen für Deutschlands Freiheit und Unabhängigkeit gekämpft haben. Möge der gepflanzte Eichenbaum in seinem Wachstum gedeihen und sein Anbild zur Nacheiferung in der Betätigung vaterländlicher Gesinnung uns immer daran erinnern, was wahre Vaterlandsliebe und Vaterlandstreue, was Mut und Entschlossenheit zu vollbringen vermögen. Mit Gott für Kaiser und Vaterland.
Hierauf warf der Herr Bürgermeister Stuhrmann die üblichen drei SPaten voll Erde. Herr Stadtverordnetenvorsteher Büchner zitierte bei der Weihe unter der gleichen üblichen Zeremonie den Spruch -Wer eine große Vergangenheit wieder ins Leben ruft, genießt die Freude des eigenen Schaffens-.
Hierauf hielt Herr Superintendent Baarts die Festreden, in welcher er hervorhob, dass man heute nach 100 Jahren eigentlich nicht zu fragen brauche: Warum man diese Feier begehe, indem alles klar und deutliche vor uns liege, die Früchte der großen Zeit - ein einiges deutsches Reich. Nicht weit von uns winke das ehrwürdige Denkmal des großen Heldenkaisers vom Kyffhäuser zu uns herüber und erinnere jederzeit an das, was uns zu Teil geworden durch den Opfermut und di Tapferkeit unserer Väter. Man müsse heute heute nur fragen, in welcher Weise man heute den Dank abzustatten habe und hierauf bezogen sich die zu Herzen gehenden, nun folgenden Worte des Geistlichen. Die Jugend aber erinnerte er besonders daran, dass es gerade ihr vorbehalten sei, durch Liebe zum Vaterlande sich des Dankes zu befleißigen, den wir schuldig sind für alles das, dessen wir uns heute und hoffentlich auch für die Zukunft zu erfreuen haben. Wie die Wurzeln des soeben gepflanzten Baumes von Jahr zu Jahr immer tiefer dringen würden, so möchte auch bei den Kindern die Regungen ihres Herzens immer tiefer gehen, um dereinst als gute national gesinnte Menschen das Erbe der Väter zu übernehmen und wenn nötig, mit aller Kraft zu verteidigen. Nach beendeter Rede wurde die Feier an dieser Stelle mit dem Gesang des Liebes -Nun danket Gott- beschlossen. Die Vereine zogen wieder mit Musik nach der Stadt zurück zum Abbringen der Fahnen."
Auffällig ist hier natürlich der stark propagierte Nationalstolz und damit ist dieser Zeitungsartikel ein Zeitzeuge für die Stimmung im deutschen Reich 1913. Im darauffolgenden Jahr brach der erste Weltkrieg aus. Imperialismus und Nationalismus gelten als Hauptgründe für den Ausbruch dieses Krieges. Vielleicht sollte man deshalb nicht verlegen sein, einen Gedanken daran zu verschwenden, zu was Nationalstolz führen kann, wenn man den Baum beim Kino sieht. Vielleicht sollte man sogar beim Public Viewing im nächsten Jahr zur Fußballweltmeisterschaft daran denken und ob es wirklich "Liebe" sein sollte, die man für sein Land empfindet. Vielleicht sollte Liebe nur zwischenmenschlichen Beziehungen vorbehalten sein.