Nordhausen. Wer das sehen möchte, und das kann sich wirklich sehen lassen, muss sich beeilen. Nur noch zwei Mal geht Francis Vebers köstliches „Dinner für Spinner“ in der Rudolstädter Inszenierung über die Nordhäuser Bühne. Und dann auch noch in Nachmittagsvorstellungen. Aber egal, wer sich freimachen kann, wird auch nachmittags herzlich lachen. Das Publikum der zweiten Abendvorstellung jedenfalls hat sich ausnehmend gut amüsiert.
Zwei Stunden mit Pause dauert der hintersinnige Spaß aus Frankreich, dem Ursula Lyn und Peter Gilbert die deutsche Fassung gaben. Eigentlich ist er international, zeitlos und anzüglich. Aus jenem Stoff also, aus dem sich gute Lustspiele schneidern lassen. Der Grat der Verlockung zum Klamauk ist schmal. Da bedarf es der Empathie und der Klugheit eines Carl-Hermann Risse (Regisseur) und seines spielfreudigen Ensembles, das auf eben diesem Grat wandert, ohne in die Albernheit abzurutschen.
Es ist infam, was in diesen sogenannten besseren Kreisen allwöchentlich abgeht. Man lädt einen vermeintlichen Spinner ein und schleppt ihn ab. Zu einem Essen mit gleichgesinnten Schnöseln, denen der arglose Tropf zum Fraße, sprich: zum unbarmherzigen lächerlich und verächtlich machen, vorgeworfen wird. „Je leidenschaftlicher so ein Spinner ist, desto eher gewinnt man den ersten Preis“, weiß Verleger Brochant (Martin Andreas Greif), und er ist sich sicher, einen Weltklassetrottel am Haken zu haben. Die Dame des Hauses, des Gatten übler Machenschaften überdrüssig, verlässt wütend die Nobelherberge und ihren Mann, den zu allem Unglück ein schmerzhafter Hexenschuss plagt. Der eilig herbeigerufene Rheumatologe (Horst Damm) verordnet statt der erhofften Expressheilung jedoch Bettruhe. Leider lässt sich nun „der Vollidiot“ nicht mehr abbestellen und steht pünktlich, wie es seine Art ist, auf der Matte. In einer Kollegmappe trägt der Finanzbeamte Pignon (Benjamin Griebel) die Dokumente seiner Leidenschaft. Er leimt aus Streichhölzern die Gebäude der Welt zusammen und glaubt, der berühmte Verleger verlege nun ein Bändchen mit den Fotos der Modelle. Seine Marotte hat ihn bereits die Frau gekostet und jetzt geht er, im Anzug, mit Strickpullover und Gesundheitstretern, aufs Ganze. Dieser grundehrliche und doch auch irgendwie mutterwitzige, bauernschlaue Typ zersäbelt fortan mit Naivität und gespielter Arglosigkeit Brochants gesamte heile Yuppiewelt. Eine Verflossene Brochants, die nymphomanische Esoterikern oder esoterische Nymphomanin (Gisela Aderhold), die Meschuggene halt, wirft er aus dem Haus, weil er sie für die Ehefrau hält. Dieser Fauxpas ist der Blitzstart in die Malaise. Brochant wird den Geist, den er rief, nicht mehr los. Pignon, begnadeter Telefonist in allen Lebenslagen, vergeigt alles, aber auch wirklich alles und bringt mit jedem Telefonat den Verleger mehr in die Bredouille. Doch Pignon hat einen Freund im Finanzamt namens Cheval (Horst Damm), der weiß, wo ein stadtbekannter Schürzenjäger wohnt, in dessen Armen Brochant seine Frau Christine wähnt. Der korrupte Beamte lässt sich mit Delikatessen aus Brochants Nobelküche schmieren. Christine, von Brochant dem erfolglosen Schriftsteller Leblanc (Johannes Arpe) ausgespannt, ist aber nicht in der „Rammelbude“. Da ist nun wieder Chevals Frau, der aber deswegen nicht die Fassung verliert, sondern in Brochants leergeräumtem Luxusloft den knallharten Steuerfahnder gibt. Ist das ein Zirkus und Pignon jongliert mit Nonchalance und Telefon die Clownerie, bis auch der letzte Rest vom Nobelweltbild zerschmettert am Boden liegt. Und als dann der große Kehraus kommt und die bis dahin prickelnde, schadenfrohe Stimmung in einem moralinsauren Sermon zu ersticken droht, gibt’s die große Schlusspointe. Die Rache des kleinen Mannes eben. Aber die wird nicht verraten. Wie gesagt: hingehen, hinschauen. Top- Inszenierung, tolles Ensemble, Kurzweil mit Verstand.
Nächste Vorstellungen: 1. Februar um 14.30 Uhr und 4. März 2015 um 15 Uhr
Karten bestellen: Telefon 03631 - 983452 oder Internet www.theater-nordhausen.de