Kyffhäuserkreis. Sie arbeiten dann, wenn andere frei haben, kommen mit ihrem Lohn aber kaum über die Runden: Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte verdienen im Kyffhäuserkreis weit unterdurchschnittlich – und könnten aus Geldsorgen ihrer Branche immer häufiger den Rücken kehren. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und verweist auf eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung, die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet hat. Demnach kommen Beschäftigte aus dem Thüringer Gastgewerbe, die eine Vollzeitstelle haben, auf ein mittleres Monatseinkommen von aktuell nur 1.763 Euro brutto. Zum Vergleich: Branchenübergreifend liegt der Median bei Vollzeit in Thüringen bei 2.699 Euro. Das ergibt eine Lohn-Kluft von 35 Prozent. Nach Einschätzung der Gewerkschaft dürfte sich der Einkommensunterschied auch im Kyffhäuserkreis auf eine knapp vierstellige Summe belaufen.
„Wenn Hotel- und Gastro-Beschäftigte beim Verdienst so stark abgehängt sind, dann darf sich keiner darüber wundern, dass sie sich in Zeiten der Corona-Krise einen neuen Job suchen. Denn viele von ihnen mussten monatelang mit dem Kurzarbeitergeld auskommen, ein Teil der Beschäftigten ist noch immer darauf angewiesen. Das sind harte Einbußen bei einem ohnehin niedrigen Einkommen“, betont Jens Löbel, Geschäftsführer der NGG-Region Thüringen. Obwohl die Wirte und Hoteliers ebenfalls stark von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen seien, müsse nun alles dafür getan werden, Löhne und Arbeitsbedingungen attraktiver zu machen. Gelinge das nicht, dürfte es in vielen Hotels, Gaststätten und Cafés schon bald nicht mehr genügend Personal geben, warnt der Gewerkschafter.
An den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Thüringen appelliert die NGG, die Branche über tarifliche Standards zeitgemäß aufzustellen. Die Gewerkschaft will mit den Arbeitgebern neu verhandeln und deswegen den derzeit gültigen Tarifvertrag zum Jahresende kündigen. Es müsse dringend etwas getan werden, um den Beschäftigten eine Perspektive nach der entbehrungsreichen Zeit zu bieten. Viele Probleme hätten dabei lange vor der Pandemie existiert. „Von unbezahlten Überstunden und langen Arbeitszeiten bis hin zu einem rauen Umgangston hinter den Kulissen – viele Missstände sind auch hausgemacht“, so Löbel. Die NGG wird in den nächsten Tarifverhandlungen eine armutsfeste untere Lohngrenze von 13 Euro für die Branche und eine entsprechende Erhöhung der übrigen Löhne fordern. Fachleute könnten mittelfristig nur gehalten werden, wenn sich die Unternehmen mit der Gewerkschaft zu einer besseren Bezahlung sowie attraktiveren Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen bekennen.
„Ein wichtiger Punkt dabei ist eine Stärkung der Tarifbindung. Eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband sollte für Unternehmen nur dann möglich sein, wenn die Tarifverträge akzeptiert werden, die man gemeinsam ausgehandelt hat. Mitgliedschaften ohne Tarifbindung darf es nicht mehr geben“, betont Löbel. Nach Beobachtung des Gewerkschafters hätten aktuell viele Betriebe eine Mitgliedschaft „ohne Tarifbindung“. Der Trend dazu müsse dringend gestoppt werden, um flächendeckend nicht nur faire Arbeitsbedingungen für das Personal zu haben – sondern auch faire Wettbewerbsbedingungen für die Firmen.