Artern. Die „Werner-Seelenbinder-Freilichtbühne“ im Volksmund nur „Freilichtbühne“ hat heute ein gutes Stück ihres Charakters verloren. Werner Seelenbinder war ein deutscher Ringer und kommunistischer Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Es waren die Arterner Ringer, die die Freilichtbühne in tausenden Stunden ehrenamtlicher Arbeit erbauten. Eröffnet wurde die Anlage 1953.
Jetzt ist die historische Bühnenfläche weg. Dass der an ein Amphitheater erinnernde Charakter mit geschwungener Bühne wiederhergestellt wird, ist unwahrscheinlich. Bedauerlicherweise bleiben uns lediglich Gerüchte über die neue Fläche, denn man schweigt sich beharrlich aus.
Der Ortschaftsrat Artern hat nahezu die gesamte Hochzeitsprämie aus der Gemeindefusion für dieses Vorhaben eingesetzt - ganze 83.000 € und womöglich noch mehr in Zukunft.
Warum pflanzt die Stadt keine Bäume nach, die den Dürrejahren zum Opfer gefallen sind? Die kühlen immerhin das Stadtklima. Oder warum investiert man das Geld nicht in einen richtigen Spielplatz für das Arterner Schwimmbad? Der wird seit Jahren schmerzlich vermisst.
Es gibt viele Dinge, die man mit 83.000 € hätte machen können. Warum man sich nun eine Baustelle schafft, die bisher keine war, lässt mich fragend zurück. Eine breite Debatte über die Priorisierung von Vorhaben ist scheinbar nicht erwünscht. Man schafft lieber Fakten. Warum sage ich das?
Im Beschluss des Ortschaftsrats vom 21.03.2024 wurde proklamiert, dass der Bühnnbereich „nicht mehr den heutigen Sicherheitsanforderungen“ entspräche. Was konkret das Problem ist und warum es in den letzten 71 Jahren keine Bedenken gab, haben wir leider nicht erfahren, trotz zweier Anfragen an die Stadt Artern.
Eine Presseanfrage vom 02.04.2024 wurde nur spärlich beantwortet, wobei der Ortschaftsbürgermeister Wolfgang Koenen angab, diese für weitere Details an Bürgermeister Torsten Blümel und die Leiterin des Bauamts weitergeleitet zu haben. Wir erhielten keine weitere Antwort auf diese Anfrage.
Nach einer zweiten Anfrage vom 12.04.2024 wurde die Arterner Zeitung auf spätestens den 19.04.2024 vertröstet. Es liegt bis heute keine Antwort auf diese 7 unproblematischen Fragen vor, die wir gestellt haben:
- Für was genau werden die 100.000 € aufgewendet?
- Ist der Bühnenbereich baufällig? Gibt es statische Probleme oder was stimmt damit nicht mehr?
- Welche weiteren Sicherungsmaßnahmen müssen im Bereich der Freilichtbühne getätigt werden?
- Müssen Bäume zur Umgestaltung des Bühnenbereichs gefällt werden?
- Besteht ein Denkmalschutz für die Freilichtbühne?
- Gibt es bereits Pläne/Zeichnungen, wie das Areal danach aussieht? Könnten Sie mir diese bitte zur Verfügung stellen?
- Was sind die Gründe die Bühne zu ändern?
Die Bau- und Abbruchleistungen wurden nicht in einer „öffentlichen Ausschreibung“, sondern in einer sogenannten „freihändige Vergabe“ vergeben. Am 21.03. fand die Sitzung dazu statt. Eine Information in Form einer Pressemitteilung zum Vorhaben gab es nicht.
Die Verantwortlichen müssen sich Frage gefallen lassen, ob Sie eine Debattenkultur möchten. Meint man denn, es sei schädlich, wenn im Stadtgespräch über derartige Projekte diskutiert wird? Immerhin geht es hier um ein Stück Identität und die Frage scheint angebracht, ob man sich dessen überhaupt bewusst ist. Demokratieförderlich ist dieses Verhalten mit Sicherheit nicht und das in einer Zeit, in der eine rechte Partei in Thüringen nach der Macht greift.
In Artern ist wieder ein Stück kultureller Identität verschwunden, völlig ohne Not. Der Denkmalschutz im Kyffhäuserkreis wusste offenbar nichts von dem Vorhaben. Nach unserer Anfrage vom 15.04. an diesen, macht er sich vor Ort ein Bild und leitete das Anliegen an das zuständige Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Erfurt weiter.
Ich würde Ihnen gerne gesicherte Informationen dazu geben, wie die neue Bühne aussehen wird, aber hier bleibt mir nur wieder Hörensagen: Es soll wohl eine quadratische Fläche gepflastert werden. Ich finde, darüber hätte man besser debattieren sollen.