Historisch

Artern auf Wachstumskurs

Über eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Teures Bauland, Wohnungsnot und Bürokratie. Eine Bericht über Artern von vor 92 Jahren.

Artern. Die erste Seite in der Arterner Zeitung vom 1.4.1920:

Durch die vor ungefähr 30 Jahren einsetzende industrielle Entwicklung der Stadt Artern, welche bis zum Ausbruch des Weltkrieges eine fast ständige und bedeutende Steigerung erfahren hat, machte sich naturgemäß auch die fortdauernde Beschaffung neuer Wohnungen für die zunehmende zahlreiche Beamten- und Arbeiterschaft erforderlich. Auch Handel und Gewerbe blühten auf und machten gleichfalls ihren Einfluss auf eine gesteigerte Bautätigkeit geltend. Eine ganze Reihe seitdem neu entstandener oder ausgedienter Straßen legt dafür Zeugnis ab. Da machte sich dann auch bald der Mangel an geeignetem Baugelände geltend und zwar umso mehr, als das Weichbild der Stadt nach Süden durch die Staatliche Saline und die Unstrut, nah Westen und Norden durch das Gelände der Staatlichen Domäne begrenzt und jeder Ausdehnungsmöglichkeit beraubt war. Wie ein enger Panzer lagen und liegen nach diesen drei Himmelsrichtungen diese Hindernisse für die so dringende Erweiterung um die Stadt. Nur nach Osten war die Möglichkeit der Ausdehnung gegeben und führte dieselbe schon früher zur Ansiedelung verschiedener größerer industrieller Werke und dann auch von zahlreichen Wohnbauten. Diese einzige Ausdehnungsmöglichkeit weit vor der Stadt und der mehr und mehr sich geltend machende Mangel an anderen geeigneten Baustellen, brachte nach und nach und besonders in den letzten Jahren vor dem Kriege eine solche Steigerung der Preise für Baugelände mit sich, dass dadurch die Baulust, trotz des stetig steigenden Wohnungsmangels, mehr und mehr zurückgehalten wurde. Diesem Übelstande konnten sich die städtischen Körperschaften nicht verschließen und es sei hier gleich vorausgeschickt, dass zur Abstellung desselben von diesen alle nur möglichen Anstrengungen gemacht und nach Möglichkeit für Abhülfe gesorgt wurde. Wenn ihnen dies in manchen und den schwerwiegendsten Fällen nicht gelang, so trug hieran nur das geringe Entgegenkommen und die Kurzsichtigkeit der Interessenten und zuständigen staatlichen Behörden die Schuld. Darüber würde an der Hand der Asten gar manches Unerfreuliche und Unverständliche zu sagen sein.
Die städtischen Körperschaften hatte bereits im Jahre 1904 im Verein mit der heimischen Industrie, durch deren rasche Entwicklung die Wohnungsnot hervorgerufen war, und anderen Interessenten, wie auch uninteressierten Gönnern, eine gemeinnützige Baugenossenschaft gegründet. Die Stadt trat derselben mit 125 Anteilen zu 200 Mark=25.000 Markt bei [Es handelte sich um Goldmark, allein der Wert des Goldgehaltes entspräche heute 386.937 € (Preis pro Feinunze 1344,68 €)], welcher Betrag aus der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt als 3% Darlehen mit der Verpflichtung entnommen wurde, dasselbe mit 1 v.H. und den ersparten Zinsen zu tilgen. Die Tilgung dieses Darlehens wird erst im Jahre 1952 beendet. Es wurden in den Jahren 104 bis 1905 5 Wohnhäuser, zwischen dem Eisenwerk Brünner und der Kyffhäuserhütte, mit insgesamt 25 Wohnungen errichte und damit wenigstens der größten Not gesteuert. Aber die Weiterentwicklung der Industrie, welche, nebenbei bemerkt, neben den Vorteilen auch mindestens ebenso viele Nachteile und Lasten für die Stadt mit sich brachte, zwang die städtischen Behörden dazu auf weitere Maßnahmen und zunächst besonders auf die Erwerbung von geeigneterem Bauland bedacht zu sein, [nicht lesbarer Teil] geltend machte, in geschützter Lage und in unmittelbarer Nähe der Stadt sich anbauen zu können.

Nach manchen früheren vergeblichen Versuchen, von dem Domänenfiskus geeignetes Bauland zu erwerben, wurde die Sache im Dezember 1906 wieder dadurch in Fluss gebracht, dass der Bergrat "[-neberg]" bei dem Magistrat die Vergrößerung der Weinbergsanlagen in Anregung brachte, um dadurch für die Besucher des Solbades mehr und schönere Spaziergänge zu schaffen. Nach einer zuerst ablehnenden Haltung des Magistrats wünschte jedoch die Stadtverordnetenversammlung am 8. April 1907 die Aufnahme bezüglicher Behandlungen mit der Königlichen Regierung, wobei zugleich der Wunsch nach gleichzeitigem Miterwerb von Bauland ausgesprochen wurde. In den Verhandlungen, welche seitens der Regierung von dem Oberregierungsrat b. Wolff geführt wurden, stellte letzterer die Forderung, dass für 10-30 Morgen meist minderwertiges Land auf dem Sumpf oder anderes Land, welches für die Domäne bequem gelegen sein müsse, abzutreten sei. Dabei wurde die Bedingung gestellt, dass das betr. Land nicht bebaut werden dürfe, oder es solle für das zur Bebauung gewünscht Land mit dem derzeitigen ortsüblichen Preise für Baustellen bezahlt werden. Der Domänenenfiskus wollte also besseres Land gegen minderwertiges eintauschen und dabei noch ein besonders Geschäft mit dem Verkauf von Baugelände zu den bestehenden hohen örtlichen Preisen machen. Wenn man hierbei den Standpunkt desselben zur Wahrung seiner Interessen vollauf würdigt, so ist daraus doch ersichtlich, wie wenig Verständnis und Entgegenkommen man der Notlage der Stadt entgegenbrachte. Diese Verhandlungen zogen sich nun durch mehrere Jahre hin, ohne das sich ein Ergebnis zeigte, oder das die Regierung ihren Standpunkt aufgab. Es wurde im Jahre 1910 hierzu noch einmal ein Anlauf genommen, indem die Stadt mit verschiedenen Besitzern in der Flur Kachstedt wegen Ankauf ihres Landes verhandelte, um es gegen das zu erwerbende Domänenland am Weinberg einzutauschen. Es entsprach dieser Austausch auch den Wünschen des Domänenpächters, da dieses Land an das Borwerf[?] Kachstedt angrenzte bezw. von dort leicht zu bewirtschaften war. Da inzwischen aber der Mangel an Baugelände sich immer fühlbarer machte, mussten die städtischen Behörden Wert darauflegen, dass ein Teil des auszutauschenden Geländes hinter der Magdalenstraße, zwischen der Gartenstraße und dem Rain, zur Bebauung freigegeben wurde. Diese Verhandlungen zeigten ein wesentlich anderes Ergebnis [nicht lesbar] -runsrat d. Wolff, stellte nunmehr die Forderung, dass die Stadt für das für die Bebauung in Aussicht genommene Gelände die Differenz zwischen dem Wert des Landes als wirtschaftlichen Grund und Boden und als Bauland entweder bar bezahlen oder dem Domänenfiskus durch Gewährung von mehr Land ersetzen solle. Dabei kam der Vertreter den Interessen der Stadt aber insoweit "entgegen", dass es empfahl, "noch mehr Land in Kachstedt zu erwerben und dadurch die auszutauschende Fläche in ihrem Umfange zu erhöhen". Er scheint demnach das Geschäft für den Domänenfiskus doch als nicht so unrentabel angesehen zu haben. Da aber die Beschaffung von Baugelände ein immer dringenderes Bedürfnis wurde, beschloss der Magistrat am 16. Januar 1911 dennoch, auf die Forderungen der Regierung einzugehen. Um eine möglichst große Fläche austauschen zu können, wurde nochmals mit verschiedenen Landbesitzern in und bei Kachstedt in Verkaufsverhandlungen getreten. Bis zum Schluss des Jahres 1911 waren die Verhandlungen soweit gediehen, dass zur Vergrößerung der Weinberganlagen und als Baugelände hinter der Magdalenstraße 4,53 ha gleich 18 Morgen erworben werden sollten und wurden die beiden Flächen auch von dem Katasterbeamten vermessen. Als nunmehr seitens der Stadt am 10. Januar 1912 bei der Regierung die Bitte um endgültige Regelung der Angelegenheit ausgesprochen wurde, erhielt sie am 3. Februar 1912 von Herr v. Wolff die kurze Antwort: "Bevor dem Angebot wegen Austausch von Grundstücken zwischen der Stadt und Domäne Artern näher getreten werden kann, ersuchen wir den Magistrat, zunächst ein Projekt des Bebauungsplanes mit Zahlenangabe an uns einzusenden." Die bisherige kurze Vorgeschichte zum Landerwerb von der Domäne dürfte ein Schulbeispiel dafür sein, mit welchen Erschwernissen die Stadt bei der Regierung zu kämpfen hatte. Die Bebauung des von der Stadt zu erwerbenden Geländes wenigstens ging den Domänenfiskus nichts an, sondern unterlag lediglich den gesetzlichen Bestimmungen.

Je nach Interesse werde ich weitere Teile der Geschichte online setzen. Auf www.aratora.de findet sich auch die digitale Kopie der Ausgabe.

Matthias Zupp

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